Wettstreit der Herzen

Samstag

Die Echo Range auf dem Planeten Westerhaven ist eine beeindruckende geologische Struktur, die sich über den Hauptkontinent nahe der Westküste erstreckt. Eine große Vielfalt an immergrünen Pflanzen bedeckt das Gebiet und beherbergt eine vielfältige Tierwelt, während ausgeglichene klimatische Bedingungen (kühle Temperaturen und mäßige Niederschläge) ein ideales Umfeld für die Besiedlung schaffen. Die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region werden durch das Vorhandensein von Bodenschätzen wie Silber und Eisen begünstigt, die in den Bergwerken der Gebirgskette abgebaut werden. Hervorzuheben ist der Maiden Head, der eine Höhe von 1.300 m erreicht und einen majestätischen Ausblick auf die umliegende Landschaft bietet. (Eintrag im USF-Archiv)

Die silberne Stingray donnerte durch den farblosen Himmel eines kalten, klaren Frühlingsmorgens. Die höchsten Gipfel der Echo Range glühten im ersten orangenen Sonnenlicht, und rosa Nebelschwaden verpufften, als das Kampfflugzeug sie durchschnitt. Adelie wünschte, sie hätte mehr als nur einen flüchtigen Blick auf das Spektakel um sie herum, aber der Computer warnte sie vor der niedrigen Flughöhe, während sie, wie befohlen, dicht an den felsigen Hängen des Maiden Head blieb. Ein gnadenloser Countdown auf ihrem HUD fügte dem Hochgeschwindigkeitsflug über die Bergkette in der Dämmerung des frühen Morgens noch mehr Druck hinzu. Eine falsche Bewegung, und sie würde in einem Feuersturm an den Felsen zerschellen.

Schließlich tauchte sie über den Ausläufern der Berge auf, die in die sanften Hügel der Ebene um Meadow Junction übergingen. Dort lagen die Silos, ihr Ziel. Sie musste sie zu einer ganz bestimmten Zeit erreichen, und sie hatte nur drei Sekunden Fehler-Spielraum. Der Countdown lief noch 30 Sekunden. Sie tat, was ihr Flugsystem ihr sagte, und kämpfte gegen den Drang an, Gas zu geben, um schneller zu sein. Auf die Sekunde genau pünktlich zu sein, anstatt einen neuen persönlichen Rekord aufzustellen, war eine Herausforderung, die gegen alles ging, was sie gewohnt war. Sie passierte die Silos genau in dem Moment, als der Countdown auf 00:00:00 sprang. Puh. „Ziel pünktlich erreicht. Bitte warten Sie nach der Landung auf die Auswertung.“ Die Bestätigung des Flugcomputers ließ sie aufatmen.

Fünf Minuten später trat sie in den Luftraum über der Westerhaven Academy ein und meldete sich bei der Flugsicherung. Es war ein geschäftiger Morgen über Meadow Junction, und ein riesiger Sandhawk der Klasse 3 ließ sich mit der Landung Zeit. Es waren unhandliche fliegende Würfel, und Adelie beneidete die Piloten nicht, die sie runter bringen mussten. Normalerweise wurde die Fracht aus der Luft abgeworfen, es musste also einen guten Grund für die Landung geben. Zumindest war der Luftwaffenstützpunkt Westerhaven groß genug, um einen Sandhawk dieser Größe aufzunehmen. Dazu gezwungen über dem Stützpunkt kreisen, nutzte sie die Zeit, um sich ihr jetziges Zuhause von oben anzusehen. Meadow Junction war ein hübsches kleines Städtchen, das ständig Gefahr lief, vom benachbarten Luftwaffenstützpunkt und dem Akademie-Campus verschluckt zu werden. Von ihrem Aussichtspunkt aus konnte sie den alten und den neuen Teil der Siedlung deutlich voneinander unterscheiden. Ersteren an den üppigen Gärten und baumgesäumten Straßen, letzteren an den vielen Glasflächen, in denen sich der Sonnenaufgang spiegelte. Das Flugfeld war eine riesige graue Fläche, die von orangefarbenen Lichtpunkten erhellt wurde. Auf der der Stadt zugewandten Seite befanden sich mehrere Hangars, ein winziges Terminal und mehrere Gebäude, die zur Akademie gehörten. Sie konnte sogar das Terminal des Shuttle-Busses ausmachen, der den Luftwaffenstützpunkt mit dem Campus in der Stadt verband.

Schließlich bekam Adelie die Landeerlaubnis erteilt. Sie parkte ihr Flugzeug auf der zugewiesenen Position und wartete, bis das grüne Licht auf dem Armaturenbrett den Motor zum Abstellen freigab. Ein blaues „Bestanden“ blinkte auf ihrem Bildschirm, und dann kam die Auswertung. Sie blätterte durch viele grüne Häkchen und ein paar gelbe Markierungen. Keine roten, das war gut. Sie hatte nicht allzu schlecht abgeschnitten, das würde ihr genug Punkte in der Rangliste einbringen, um vor Nate zu landen. Nach drei Minuten leuchtete die grüne Kontrolllampe auf dem Armaturenbrett auf, und sie drückte auf den Knopf. Das laute Brummen ging in ein Schnurren über und verstummte dann. Stille rauschte in ihren Ohren. Sie zog die Sensorkabel aus den Buchsen an ihrem linken Oberschenkel, die ihren Fluganzug mit dem Lebenserhaltungssystem des Flugzeugs verbanden, und öffnete den Kinnriemen ihres Helms. Ihre Viwis klebten an ihrem verschwitzten Rücken, als sie aus dem Cockpit kletterte und die Metallleiter hinunterstieg. Das Bodenpersonal war bereits herbeigeeilt, um den Jet zu warten. Sie winkte ihnen einen guten Morgen zu und machte sich auf den Weg in den Mannschaftsraum von Albatros Alpha und Omega. Eine Böe des auf dem Flugplatz allgegenwärtigen Windes schnitt durch den Stoff ihres verschwitzten Fluganzugs und ließ sie bis auf die Knochen frieren. Während sie sich beeilte aus dem Wind zu kommen, bemerkte sie in der Ferne den riesigen Sandhawk. Aus seinem gähnenden Laderaum rollte eine Reihe Panzer. Ihr dämmerte, dass die Gäste für die Abschlussübung des Semesters, die für die kommende Woche angesetzt war, eingetroffen waren. Das Rasseln ihrer Ketten war zu hören, als sie auf die Ladeflächen der wartenden Tieflader rollten. Sie schrieb es dem anstrengenden Flug und ihrem Schlafmangel zu, aber der Anblick erfüllte sie mit plötzlichem Unwohlsein und sie war froh, als sie das Gebäude erreichte, in dem sich die Mannschaftsräume befanden.

Der Raum war menschenleer, was angesichts der Uhrzeit und der Tatsache, dass sie die letzte Kandidatin an diesem Morgen war, nicht weiter verwunderlich war. Wie erwartet stand ihr Name an der Spitze, aber der Punkteabstand zwischen ihr und Nate war immer noch geringer, als ihr lieb war - wer am Ende des Schuljahres vorne lag, würde Staffelkapitän werden, und die Zeit drängte. In genau einer Woche war die Abschlussfeier. In den letzten Wochen war es zu einem Running Gag zwischen den beiden Schwesterstaffeln geworden, wem von ihnen beiden die Ehre zuteil würde, denn der Wettbewerb zwischen ihnen war sehr eng. Im Moment führte sie, und die große Übung lag noch vor ihr. Sie ging an den Tischreihen vorbei und erreichte den kleinen Umkleideraum im hinteren Bereich. Dort verstaute sie ihre Ausrüstung und den Helm in ihrem Spind und tauschte den Fluganzug gegen den Trainingsanzug, der sie trocken und warm empfing. Mit jeder Bewegung teilte ihr Körper ihr seine Unzufriedenheit mit der Nacht mit. Die Stingrays waren eng und heiß. Die Staffelflagge prangte an der Wand vor ihr, als sie durch den Mannschaftsraum zurückging. Auf dem blauen Westerhavener Tuch schwebte ein stilisierter weißer Albatros mit weit ausgebreiteten Flügeln vor einem Dreieck. Unter dem majestätischen Vogel stand AUDACES FORTUNA ADIUVAT - Das Glück begünstigt den Mutigen - das Motto der Albatrosstaffeln.

Westerhaven war aufgrund seiner abgelegenen Lage und seines strengen Auswahlverfahrens eine kleine Akademie. Sie wählte die Besten der Besten aus, und viele Westerhaven-Absolventen bevölkerten die USF Hall of Fame. Unglaubliche Karrieren hatten auf diesem abgelegenen Planeten begonnen. Adelie starrte den Vogel an und fühlte sich wieder einmal unentschlossen. Es war ein Gefühl, das sie in den letzten Wochen öfter beschlichen hatte und das sich jedes Mal in ihrer Brust festsetzte, wenn sie die Flagge sah. Sie symbolisierte Stolz und Ehre für jedes Mitglied des Geschwaders - oder sollte es zumindest sein. Für sie war die Fahne zum Inbegriff einer Frage geworden. Die Frage, ob sie am richtigen Ort war und das Richtige tat. Die Sprüche ihrer Fliegerkameraden beantwortete sie mit einem gutmütigen Lächeln und der Tatsache, dass außer Nate niemand sie schlagen konnte, aber wenn sie ehrlich war, begann es sie nach zwei Jahren zu zermürben. Selbst die dicke Haut, die sie sich während ihrer erfolgreichen Rennkarriere zugelegt hatte, stieß an ihre Grenzen. Sie war es leid, sich immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen. Und noch einmal. Würde die Beförderung zum Staffelkapitän die dummen Sprüche verstummen lassen? Sie schob ihre Gedanken beiseite. Die Uhr zeigte 4.30 Uhr - höchste Zeit für sie, nach Hause zu gehen und etwas zu schlafen.

Mit einem dumpfen Ton fiel die Tür des kleinen Studios im Star City Complex hinter ihr ins Schloss. Endlich zu Hause. Als sie aus ihren Stiefeln schlüpfte, bemerkte sie eine abgetragene schwarze Lederjacke an der Garderobe und ein ebenso geliebtes Paar Motorradstiefel darunter. Ihre Wohnung war nicht so einsam, wie sie erwartet hatte, und der willkommene Anblick der Kleidung ihres Freundes erfüllte sie mit Freude. Schnell zog sie sich im Badezimmer aus und schlüpfte in einen exquisiten Seiden-Pyjama aus Eden, einer der wenigen Luxusartikel, die sie aus ihrem früheren Leben mitgenommen hatte. Ein leises Schnarchen lotste sie zu ihrem Bett. Sie konnte Nathan Havishams dunkle Gestalt kaum erkennen und tastete sich unter die Laken, um ihn nicht zu wecken. Aber seine Wärme war unwiderstehlich, und sie schmiegte sich an seine breite Brust. Eingemummelt in weiche Decken und mit ihrem Mann zum Kuscheln, übermannte sie die Müdigkeit wie eine Flutwelle, und sie schlief ein, kaum dass ihr Kopf das Kissen berührte.

Sie wusste nicht, was sie geweckt hatte, aber sie war allein im Bett, als sie die Augen öffnete. Bevor sie sich fragen konnte, ob ihr müdes Hirn Nates Anwesenheit erfunden hatte, hörte sie Geräusche in der Küche. Das Kuscheln mit ihrem Freund war keine Einbildung gewesen. Sie war wacher, als ihr lieb war, und außerdem musste sie auf die Toilette. Murrend rollte sie sich aus dem Bett und stattete dem Badezimmer einen weiteren Besuch ab. Erleichtert ging sie in die Küche, um ihren Freund und etwas zu essen zu finden.

„Was zum Teufel? Warum bist du schon auf? Es ist noch nicht mal 8 Uhr morgens?“ Nate stand am Herd, die hellblauen Augen vor Überraschung geweitet. Sein wilder schwarzer Haarschopf hatte noch keinen Kamm oder Stylingcreme gesehen, und sein stoppeliges Kinn keine Rasierklinge. Kein Hemd verhüllte seinen kräftigen Oberkörper welcher unschwer den Soldaten und Rugbyspieler verriet. Eine verblichene graue Jogginghose hing gefährlich tief auf seinen schmalen Hüften. Für eine Sekunde setzte ihr schlaftrunkenes Hirn beim Anblick seiner Schamhaare aus, die sich mit dem dunklen Haarstreifen auf seinem Bauch vermischten. Sie trat näher und küsste seine stoppelige Wange.

„Morgen, Hübscher.“

„Morgen, Babe.“ Seine tiefe, raue Stimme half ihrem übernächtigtem Kopf nicht. Sie kuschelte sich in seine Umarmung, begierig, ihn zu berühren. Seine Hand wanderte in ihr Haar, und wie immer warf er ihr einen schnellen Blick zu, um sich zu vergewissern, nicht zu weit zu gehen. Bereitwillig neigte sie den Kopf, als sich ihre Lippen berührten. Nate war ein großartiger Küsser, und es war zu leicht, sich in seinen Küssen zu verlieren. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als sich zu verlieren, mitgerissen zu werden. Doch zu ihrer Überraschung zog er sich zurück, ohne ihre Verbindung zu vertiefen. „Verdammt.“

Enttäuschung riss sie aus ihrem träumerischen Zustand. „Was ist los?“

Ein süßes, raues Kichern. „Ich wünschte, ich hätte Zeit, dich mit ins Bett zu nehmen und mit dir zu schlafen, wie süß du gerade bist. Aber nein, ich muss zu einem sehr unpassenden Rugby-Camp.“ Er rieb sich den Hals und zeigte nicht nur den männlichen Dschungel seiner Achselhöhlen, sondern auch perfekte Muskelberge. Adelie versuchte, ihr Verlangen zu unterdrücken.

„Oh. Du bist hier, weil meine Wohnung näher am Trainingsplatz liegt. Das hast du erwähnt, und ich habe es vergessen.“

Wieder ein Glucksen. „Schon gut, aber du hattest deine Prüfung, auf die du dich konzentrieren musstest. Wie ist sie gelaufen?“

„Ich habe sie mit 250 von 300 möglichen Punkten bestanden. Ich hätte mich fast in den Shallows verflogen, das hat mich etwas gekostet.“

Er drückte sie. „Das ist ein überdurchschnittliches Ergebnis. Was sagt die Rangliste dazu?“

Sie fuhr mit den Händen durch sein Haar, immer noch nicht ganz über die Enttäuschung hinweg, dass er sie bald verlassen würde. „Nur fünfzig Punkte Unterschied. Du bist immer noch im Rennen.“

„Du führst immer noch. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich in der verbleibenden Woche noch einholen kann.“ Sein Kiefer zuckte leicht frustriert, aber sein strahlendes Lächeln überspielte das so schnell, dass sie sich nicht sicher war, ob sie es sich nur eingebildet hatte.

„Der Einsatz hätte viel mehr Spaß gemacht, wenn du als RIO mitgeflogen wärst, soviel steht fest. Aber ich war froh, dich hier vorzufinden, als ich nach Hause kam. Du bist das beste Kissen.“

Nate hauchte ihr noch einen zärtlichen Kuss auf die Schläfe. „Aber Nächte allein in deinem Bett kommen mir doppelt so lang vor. Ich konnte kaum einschlafen.“

Sie öffnete den Kühlschrank und inspizierte die Auswahl an Sportgetränken. Es waren nur noch zwei Flaschen übrig - ein grünes NaturalPlus und ein rosa Vitapunch. „Verdammt, ich war sicher, ich hätte noch mindestens ein Orange Oasis.“

„Ich verstehe nicht, warum du das magst, es ist so ekelhaft süß.“ Nate war fest im Camp NaturalPlus, aber sie hatte keine Lust auf flüssige Algen vor dem Frühstück.

Sie schüttete das Vitapunch hinunter, um all die Mineralien und Elektrolyte aufzufüllen, die sie während des Fluges ausgeschwitzt hatte, und setzte sich auf einen Küchenstuhl, um ihm bei der Zubereitung des Frühstücks zuzusehen. Der Duft von Rührei, gebratenem Speck und saftigen Tomaten stieg ihr in die Nase und machte ihr bewusst, wie hungrig sie war. Die Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Fenster, tanzten auf dem Boden und auf Nates gebräunter Haut, als er die Pfanne in die Hand nahm. Sie erinnerte sich an den Sandhawk mit den Panzern. „Ich habe das 56. Bataillon heute Morgen gesehen. Sie sind schon da, wahrscheinlich um sich an das Klima und die Zeitumstellung zu gewöhnen.“

„Ach ja, ich hatte ganz vergessen, dass wir bald eine große Übung haben.“

Sie lachte. „Ach, komm schon, Tiger. Das ist nur die wichtigste Übung des Semesters. Wie kannst du das vergessen?“

Er schichtete Eier, Speck und Tomaten auf eine Scheibe knusprig getoastetes, selbst gebackenes Brot, legte es auf einen Teller und servierte ihn mit der geübten Leichtigkeit eines Kellners. „Ich habe nicht gesagt, dass ich es die ganze Woche vergessen hatte, nur temporär. Wie sind unsere Feinde? Haben wir eine Chance?“

„Die Panzer sehen böse aus. Ihre Fahrer habe ich noch nicht gesehen.“ Sie schaute auf die Uhr. „Musst du dich nicht fertig machen?“

Mit einem Seufzer nickte er. „Ja, und zwar pronto.“

#

Nachdem Nate gegangen war, war es plötzlich zu still und leer in der winzigen Einzimmerwohnung. Sie lenkte sich von der momentanen Abwesenheit eines spärlich bekleideten Freundes und dem damit verbundenen Lärm ab, indem sie die Kissen auf ihrem kleinen Sofa zurechtrückte und das Bett machte. Sie hatte sich dafür entschieden, das Zimmer ganz in Weiß einzurichten - nachdem sie jahrelang in kleinen Wohnmobilen in Race Camps gelebt hatte, mochte sie keine optische Unordnung. Das Sofa und zwei Sessel standen vor bodentiefen Fenstern, die den Raum mit natürlichem Licht erfüllten. Gegenüber befand sich ihr Bett und in der anderen Ecke ihr Schreibtisch. Sie hob den Trainingsanzug auf, den sie auf dem Weg ins Bett über eine Armlehne geworfen hatte, und sah sich um, unsicher, was sie als Nächstes tun sollte. Sie war wach, draußen war es hell, und wieder ins Bett zu gehen, erschien ihr wie Verschwendung kostbarer Freizeit. Sie streckte sich, und ihre Muskeln erinnerten sie an die langen Stunden in einem winzigen Sessel. Sie sah auf die Uhr - wenn sie sich beeilte, konnte sie es noch zum Yogakurs im Star City Gym schaffen. Das wäre ein hervorragendes Gegenmittel gegen die Steifheit in ihren Knochen und Muskeln.

Der Star City Complex war eine kleine Stadt für sich, gebaut für USF-Personal und Zivilisten, die auf dem Stützpunkt und im Krankenhaus arbeiteten. Es gab Wohnungen in verschiedenen Größen, von kleinen Studios wie dem von Adelie bis hin zu Vierzimmerwohnungen für Familien. Es gab eine Kinderkrippe, verschiedene Spielplätze, einen kleinen Laden für Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs, ein Schwimmbad und ein Fitnesstudio, dem sie gerade zustrebte. Große Bäume beschatteten die Wege zwischen den weißen Gebäuden, die Blätter an den Ästen waren noch hellgrün. Obwohl es auf dem Campus ein viel größeres und besser ausgestattetes Fitnessstudio gab, trainierte Adelie lieber im Star City Gym. Es war nicht weit von ihrem Zuhause entfernt und das Publikum bestand nicht nur aus überheblichen jungen Männern. Sie würde es nie offen zugeben, aber sie besuchte das Fitnessstudio auf dem Campus nur in Begleitung von Nate, dessen Anwesenheit allein dafür sorgte, dass andere Abstand hielten.

Für einen Samstagmorgen war das Fitnessstudio recht leer, dachte Adelie. Nur fünf andere Leute waren im Kurs, und eine von ihnen war zufällig eine ihrer besten Freundinnen, Leslie. Sie begrüßte sie mit ihrer besonderen Art von sonniger Begeisterung. „Guten Morgen, Schatzi!“

Leslie war mit üppigen Kurven gesegnet, auf die Adelie ein wenig neidisch war. Das harte Training hatte ihre eigenen Vorzüge mehr geschmälert, als ihr lieb war. Sie lächelte den Blondschopf an, als sie ihre Matte neben ihre legte.

„Leslie, hallo! Was machst du hier so früh am Morgen? Hast du heute nicht frei?“

„Ja, und ich dachte, es wäre gut, den Tag mit Yoga zu beginnen.“

„Les, du bist Krankenschwester, da darfst du auch mal faul sein, während deiner Mission Menschen vor dem Tod zu retten.“ Adelie kannte niemanden, der so hart arbeitete. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, im Krankenhaus vorbeizuschauen, wenn es ihre Zeit erlaubte, um nach ihr zu sehen und ihr eine Tasse Kaffee zu bringen. Leslie war chronisch ignorant, wenn es darum ging dann Pausen zu machen, wenn ihr Körper sie brauchte, und so begrüßte sie Adelies Erscheinen, weil es sie zwang, wenigstens ein bisschen langsamer zu machen.

Ihre Freundin und Nachbarin zuckte die Schultern. „Ich mag Yoga. Es lenkt mich ab. Und das brauche ich heute, die Woche war schrecklich. Ich glaube, wir hatten jeden Tag einen medizinischen Konvoi. Die Tatsache, dass wir dem Konflikt im Lumynaria-System am nächsten sind, macht mir im Moment das Leben schwer.“

Der Lehrer betrat den Raum und sie mussten schweigen. Adelie genoss die Stunde in vollen Zügen. Leslie hatte Recht, Yoga lenkte wirklich ab. Nach einer Stunde mit Herabschauenden Hunden, Tauben, Kriegern und anderen Verrenkungen, deren Namen Adelie nicht kannte, war sie zwar schweißgebadet, aber ihr unterer Rücken und ihre Hüften waren auch viel offener. Genau das, was sie nach einer Nacht im Kampfjet brauchte.

Auf dem Rückweg von der Dusche fragte Leslie: „Es geht mich wirklich nichts an und ich freue mich, dich zu sehen, aber du bist normalerweise am Wochenende bei Nate zu Hause. Warum bist du nicht auf Wild Sage Acres?“

„Ganz einfach. Ich hatte einen Solo-Nachtflug und bin erst um 4 Uhr früh gelandet. Und er ist heute Morgen sowieso mit einem besonderen Rugby-Trainingslager zum Semesterende beschäftigt.“

Leslie sah sie entsetzt an. „Was in aller Welt machst du dann hier? Warum bist du nicht im Bett und schläfst?“

Adelie lachte. „Ich bin aufgewacht, als Nate Frühstück gemacht hat, ich musste auf die Toilette, und ehrlich gesagt, es ist ein sonniger Samstagmorgen, warum sollte ich ihn im Bett verbringen.“ Sie hatte sich abgetrocknet und ließ das Handtuch fallen, um sich frische Unterwäsche anzuziehen. Leslie schnappte nach Luft. „Was? Habe ich irgendwo einen blauen Fleck? Ich hatte am Freitag Nahkampftraining und konnte mich danach kaum bewegen.“

„Nein. Aber ich kann verstehen, warum Nate so auf dich steht. Ich stelle gerade meine Sexualität und mein Trainingsprogramm in Frage.“

„Wovon zum Kuckuck redest du?“ Mit in die Hüften gestemmten Armen drehte sie sich zu ihrer Freundin um.

„Schau dich an. Schneewittchen ist zur Armee gegangen.“

„Ich sehe überhaupt nicht aus wie Schneewittchen: Meine Haare sind kastanienbraun, nicht ebenholzfarben, und meine Augen sind braun, nicht blau. Nur die Haut, so weiß wie Schnee, könnte passen, obwohl ich mir wünschte, ich würde bräunen - dann könnte ich ein Vermögen an Sonnencreme sparen.“

Leslie zwinkerte. „Ich schätze, Schneewittchen wäre auch nicht so durchtrainiert und fit wie du. Für deine Bauchmuskeln würde ich töten.“

Adelie erinnerte sich noch lebhaft an die Schrecken der Grundausbildung, nachdem sie ein Jahr lang mit ihrer Cousine auf Eden ein faules Leben mit Partys und üppigem Essen geführt hatte. Das umfangreiche Fitnessprogramm, das jeder Kadett in den ersten drei Monaten absolvieren musste, hatte ihr die überschüssigen Pfunde, die sie nach dem plötzlichen Ende ihrer Rennsportkarriere zu Hause angesammelt hatte, mühelos in Luft aufgelöst. „Das hat mich fast umgebracht“, sagte sie.

„Mit dem Training ist nicht zu spaßen, oder?“

Adelie schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist todernst. Sie fordern dich, bis dir schlecht wird. Bis du dich übergeben musst. Ich dachte, ich wüsste, wo meine Grenzen sind, aber an die Akademie zu gehen, hat meinen Horizont erweitert, wozu der menschliche Körper fähig ist. Und wenn du denkst, du bist endlich wie Eisen geschmiedet, führen sie dich in das High-G-Training ein.“

„Die schreckliche Menschenzentrifuge, die im Keller der Physikabteilung steht?“

Adelie nickte und schlüpfte in ihre Kleidung. „Augapfel-rein ist okay, aber Augapfel-raus ist so schmerzhaft, wie es klingt.“

Leslie verzog angewidert das Gesicht. „Ich bin Krankenschwester, ich bin sicherlich nicht zimperlich, aber ich will nicht wissen, was das bedeutet.“

„Nur, ob sie dich vorwärts oder rückwärts drehen. Aber musst du nicht auch mit der Zentrifuge üben?“

Ihre Freundin schüttelte den Kopf und griff nach ihrem Handtuch. „Nur, wenn wir uns für den Felddienst qualifizieren wollen, und das habe ich noch nicht entschieden. Ich weiß nicht, ob ich jemals in etwas ohne künstliche Schwerkraft reisen will, wie die großen Lazarettschiffe, oder schneller fliegen will als ein normales Flugzeug, wie eure Stingrays. Mir wird schon schlecht, wenn ich euch fliegen sehe, wenn ich ehrlich bin.“

Adelie hielt inne. „Willst du für immer im Krankenhaus festsitzen?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber im Feld sein und außerhalb des Komforts eines sauberen Krankenhauses Leben retten? Ich weiß nicht so recht. Meine Vorgesetzten sagen, ich hätte das Zeug zur Chirurgin, und ich will mir diese Qualifikation erst verdienen, bevor ich mich entscheide.“

„Wow, Chirurgin. Nur zu, Mädel. Du könntest eines Tages über deine eigene Krankenstation herrschen.“

#

Als Adelie aus dem Fitnesstudio trat, klingelte ihr Instacom mit einer unbekannten, aber lokalen Nummer.

„Adelie Klaiber am Apparat?“

„Guten Morgen, Fräulein Klaiber. Hier ist Marco vom Lager Nr. 14. Wir haben gerade Ihre Lieferung erhalten, und wie ich höre, warten Sie schon unverhältnismäßig lange darauf, also wollte ich Sie gleich informieren.“

Sie runzelte die Stirn. „Wollen Sie mir sagen, dass mein Auto endlich in Meadow Junction angekommen ist?“

„Ja!“ War die begeisterte Antwort. „Sie können es heute noch abholen, wenn Sie wollen.“

Natürlich wollte sie das. Was nur drei Monate hätte dauern sollen, hatte sich in ein fast zwölfmonatiges Spiel aus Warten, Telefonaten und einem armlangen Stapel Papierkram verwandelt. Hätte sie gewusst, was für eine Tortur es werden würde, hätte sie die Idee wahrscheinlich gleich aufgegeben und sich ein neues Auto gekauft, das sich bereits auf dem Planeten befand, aber wenn man einmal angefangen hatte, machte es keinen Sinn, die Überführung abzubrechen und zu riskieren, das Auto ganz zu verlieren.

Der Güterbahnhof von Meadow Junction und die Lagerhallen dahinter waren ein unheimliches Labyrinth aus gestapelten Containern, Kisten und Fässern in allen Formen und Größen. Adelies Taxifahrer spähte durch die Windschutzscheibe und deutete auf eine große gelbe 14 an der Fassade einer der Wellblechhallen. „Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?“

Sie überprüfte die Lieferbestätigung, die Marco ihr geschickt hatte. „Das scheint der richtige Ort zu sein, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie warten würden, bis ich meine Lieferung abgeholt habe. Es ist ein Auto und ich bin nicht sicher, ob es anspringt. Sie können die Uhr laufen lassen, während Sie warten. Wenn ich nicht zurückkomme, rufen Sie bitte die Polizei.“

„Das werde ich sicher tun.“ Er sah sie ernst an. „Das ist kein Ort für ein hübsches Fräulein wie Sie.“

Keiner von ihnen brauchte sich Sorgen zu machen, denn Marco wartete bereits auf Adelie und zeigte ihr den Wagen. Adelie holte tief Luft, als sie den ELF erblickte, der wie eine schwarze Katze im Halbdunkel der Lagerhalle kauerte. Hallo, Baby. Ihr Herz schlug schneller, als es sollte, als sie die Tür öffnete und sich auf den Fahrersitz setzte. Es roch noch genauso wie das letzte Mal, als sie damit gefahren war, eine wunderbare Mischung aus Leder, Holz und Auto. Sie strich mit den Händen über das Lenkrad, das mit leuchtend rotem Leder überzogen war, und machte sich wieder mit seiner butterweichen Beschaffenheit vertraut. So schwarz das Äußere, so edel das Innere. Da sie schon lange mit dem Hersteller zusammenarbeitete, waren alle ihre Spezifikationen genehmigt worden. Die roten Akzente der schwarzen Ledersitze und das rot des Lenkrads harmonierten perfekt mit dem dunklen Mahagoni des Armaturenbretts. Jeder Schalter hatte genau den richtigen Widerstand. Ein dicker schwarzer Teppich bedeckte den Boden und dämpfte jedes Geräusch. Wenn die Türen geschlossen waren, wurde der Wagen zu einem Hort der Stille und Behaglichkeit, solange der Motor nicht lief. Sie drehte den Zündschlüssel. Sofort erwachte der Motor mit seinem charakteristischen tiefen Brummen zum Leben. Er lebte noch. Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihr.

Weiterlesen